Regen am Nil-Pressestimmen

Rheingau Echo vom 1.April 2004            Zurück

Wie die sprichwörtlichen warmen Semmeln ging das Buch "Regen am Nil" nach der Lesung über den "Lesetisch".

Geisenheim. (sm) - In der Schule schrieb er am liebsten Aufsätze, aber die wurden so lang, daß er fast nie fertig war, wenn der Lehrer die Hefte einsammelte. Klar, daß so einer, wenn er dann später tatsächlich Schriftsteller wird, keine Kurzgeschichten schreibt. So hat es auch 17 Jahre gedauert, bis der Geisenheimer Rainer Kilian sein umfangreiches Erstlingswerk "Regen am Nil" beendete. Am Sonntag stellte er das Buch im Kulturtreff "Die Scheune" einem zahlreich erschienenen Publikum vor.

Fast zwei Stunden dauerte die Lesung, trotzdem kam keine Langeweile auf. Das lag nicht nur daran, daß Kilian zwischen kurzen Lesungen von Kapiteln immer wieder auf historische Hintergründe einging, Fragen beantwortete und über das Werden seines Werkes plauderte, sondern auch an dem Charakter des Buches selbst: die rätselhafte Story einer von der Geschichtsschreibung vernachlässigten Pharaonin ist ein Gemisch aus Krimi und Liebesgeschichte, gewürzt mit Mystik und Irrationalem, eine Mixtur, die beim heutigen Lesepublikum sehr gut ankommt.

Die Handlung spielt auf verschiedenen Zeitebenen, die einander ständig ablösen. Der Hauptdarsteller Felix Menzl, Antiquitätenhändler aus dem Rheingau, lernt auf der griechischen Insel Ios die Archäologin Melina kennen und lieben, er verschweigt ihr jedoch sein Geheimnis: seltsame Visionen quälen ihn, seit er einen ägyptischen Skarabäus berührt hat. Er erlebt als stummer Beobachter Aufstieg und Fall der Pharaonin Hatschepsut und ihres Geliebten Senenmut. Immer wieder bringen die Visionen sein Leben durcheinander. Auch die Macht des geheimnisvollen Inselheiligen, des Löwen von Ios, kann ihm nicht helfen. Wieder zurück in Deutschland, beschließt er nachzuforschen. Sein Weg führt ihn nach Ägypten, wo er Melina wiedersieht.

Rainer Kilian gab gerade so viel Kostproben aus seinem Buch, daß sie dem Publikum Appetit auf mehr machten, Neugier auf die Lüftung des Geheimnisses. "Der Skarabäus", "Das Grab des Ramose", "Am Kraterrand", Die Surfstation - Assistent wider Willen" oder "Die Entscheidung der Götter" hießen die einzelnen Kapitel, die der Autor vorlas. Die Entscheidung, das Buch zu kaufen, hatte mehr als die Hälfte der etwa 60 Zuhörer lange vor Ende der Lesung gefällt, denn kaum war Kilian fertig, stürmten sie nach vorn und ließen sich ihr gekauftes Exemplar signieren. Das alte Ägypten - für die meisten Menschen von nie nachlassender Faszination. Und wenn "Geschichtsunterricht" dann auch noch in einer unterhaltsamen, spannenden Krimiverpackung geboten wird - um so besser. Hatschepsut, laut Kilian eine Art "Powerfrau der Antike", regierte Ägypten als Pharao von zirka 1467 bis 1445 vor Christus. Zunächst übernahm sie als Regentin für den noch minderjährigen Thutmosis II, ihren Stiefsohn, die Macht. Erst nach ihrem Tod ging das Amt des Pharao auf Thutmosis über. Eine Frau auf dem Thron war damals ungewöhnlicher als es heute ein weiblicher Papst wäre. Deshalb wurde eine solche "Peinlichkeit" in der Geschichtsschreibung auch gerne unter den Tisch gekehrt. An Hatschepsuts Seite stand ein ebenso ungewöhnlicher Mann, ihr enger Vertrauter und Hofwesir Senenmut. Ob die beiden auch ein Liebesverhältnis verband, darüber kann nur spekuliert werden. Tatsache ist, daß Senenmut unter Hatschepsuts Schutz in die höchsten Ämter aufstieg.

Für seinen Roman hat Rainer Kilian lange und gründlich recherchiert und konnte daher den Gästen seiner Lesung auch interessante Informationen und Kuriositäten zur ägyptischen Geschichte und Kultur bieten. Den Anstoß zu der Geschichte des von Visionen heimgesuchten Felix Menzl hat ihm übrigens ein eigenes Erlebnis gegeben: bei einem Besuch in der berühmten antiken Stadt Ephesus in der heutigen Türkei hatte er ein Déjà-vu-Erlebnis, das sich dann über die Jahre hinweg zu dem Roman "Regen am Nil" auswuchs. Der Titel weist auf die spannende Entwicklung in der Geschichte hin: Regen, in der Wüste nahezu unbekannt, bedeutete für die Ägypter, daß die Götter ihnen zürnten. "Es passiert also etwas Dramatisches, genauer gesagt drei Mal", verriet Kilian.